Zum Haushalt 2025

Zum Haushalt 2025

Haushaltsrede zum Haushalt 2025 Karen Haltaufderheide-Uebelgünn:

Vieles zu den schwierigen Rahmenbedingungen dieses Haushalts ist schon gesagt, sowohl von meinen Vorrednern, als auch in der Aussprache mit den Städten in der letzten Kreistagssitzung. Deshalb werde ich die Aufzählung der verschiedenen gesamtgesellschaftlichen Krisen überspringen. Ich hätte allerdings im Traum nicht daran gedacht, zu welchen Interpretationen sich die CDU versteigt. Das war doch wohl ganz heftiges Wahlkampfgetöse.

Unsere Zusammenfassung: Wir befinden uns in einer Phase der Transformation. Gewohnte Muster funktionieren nicht mehr, der Druck zu Veränderungen ist nicht mehr übersehbar, auch, weil man Warnungen über Jahre und inzwischen schon Jahrzehnte verdrängt hat.

Bezogen auf die Klima- und Umweltkrise bedeutet das: Schon in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wussten wir oder konnten wir wissen, dass wir anders mit Energiegewinnung und -verbrauch sowie mit Natur und Biodiversität umgehen müssen. Wir haben es versäumt, frühzeitig die Konsequenzen zu ziehen. Und mit jedem Tag, den wir weiter zögern und an dem wir andere, durchaus nachvollziehbare Interessen vor durchgreifende klimapolitische Maßnahmen stellen, werden die notwendigen Einschnitte für uns und unsere Kinder härter. Das gilt auch für die Wirtschaft.

Bezogen auf den Status von Deutschland als Einwanderungsland und die damit verbundene Integrationskrise können wir ähnliche Versäumnisse feststellen. Schon um die Jahrtausendwende wussten wir, dass die westliche Exportpolitik mit der Zerstörung heimischer Märkte auf dem afrikanischen Kontinent und in Schwellenländern zu einem erheblichen Migrationsdruck auf Europa führen muss. Wir wussten auch, dass uns im Zuge des demografischen Wandels eine immer größere Zahl an Arbeitskräften fehlen würde. Auch diese Erkenntnisse haben wir nicht zusammengezogen, sondern sie im Wesentlichen ignoriert.

Ich weiß, es ist nicht üblich, in einer Haushaltsrede hier den großen Rahmen aufzuziehen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es derzeit notwendig ist, um zu verstehen, was auch bei uns im Kreis passiert. Denn die Schlussfolgerungen, die verschiedene Kräfte aus der Verunsicherung im Rahmen der Transformation ziehen, sind sehr unterschiedlich und erzeugen die Konflikte, die wir hier austragen.

Da sind zum einen diejenigen, die zurück wollen in ihre vermeintlich heile Welt – die egozentrische Welt des „Wir zuerst“, die alles für ideologisch erklären, was nicht ihrem eingeschränkten Weltbild entspricht und mit einem Fingerzeig Sündenböcke ausmachen, die für alle Schwierigkeiten verantwortlich seien. Leider ist es in Zeiten der Verunsicherung leicht, Menschen damit zu fangen.

Bei den demokratischen Parteien gibt es in unterschiedlich starker Ausprägung Bekenntnisse zum Klimaschutz und zur notwendigen Transformation. Der Knackpunkt ist die Frage des Geldes. Sind wir bereit, in notwendige Veränderungen zu investieren – oder konkret: Nehmen wir höhere Baukosten in Kauf für ein klimaneutrales Gebäude in dem Wissen, dass dies uns nicht nur auf unserem Weg zur Klimaneutralität unterstützt, sondern auch, dass sich die erhöhten Investitionen langfristig über niedrigere Betriebskosten rentieren? Bauen wir den Nahverkehr aus, damit die Menschen bei uns im Kreis die notwendige Mobilität auch ohne PKW bewältigen können?

Oder bleibt Klimaschutz ein Mäntelchen, das wir uns gerne umhängen, das  in der Praxis aber nur ein nice-to-have ist? Und weitergedacht auf andere Herausforderungen: Investieren wir in Integration und gute Bildung oder beklagen wir kopfschüttelnd unangepasstes Verhalten und Straftaten von perspektivlosen Migranten bei gleichzeitigem Fehlen von Arbeitskräften?

Ich sehe über Ihren Köpfen eine große Denkblase, in der geschrieben steht:

Ja, aber das können wir uns gerade nicht leisten. Und ich frage zurück: Können wir es uns denn leisten, es nicht zu tun? Die Antwort gibt die Wissenschaft sehr eindeutig. Viel teurer und gefährlicher, als in Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu investieren, ist, es nicht zu tun.

Ich gebe allerdings zu:  auch wir sind gefangen in dieser Frage und nicht frei, immer das zu tun, was wir für notwendig halten.

Spätestens hier kommen die Städte ins Spiel und das große finanzielle Dilemma der kommunalen Familie. Ich verstehe die Notsituation der Städte sehr gut. Meine Heimatstadt Wetter kämpft gerade darum, den Haushaltsausgleich  in 2034 darzustellen und der Überschuldung zu entgehen.

Ich halte aber den Druck, den die Städte auf den Kreis ausüben, für den falschen Weg. Es mag Fehler gegeben haben. Offenbar war auch die Kommunikation nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Und natürlich muss der Kreis Rücksicht auf seine Städte nehmen. Das ändert aber nichts an der Grundproblematik.

Wir werden die Unterfinanzierung der kommunalen Familie nicht auflösen, wenn wir uns gegenseitig die letzten Gestaltungsmöglichkeiten nehmen. Die Leistungen des Kreises sind Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger der Städte. Wenn wir daran kürzen, verlieren Ihre Bürger*innen, liebe Bürgermeister und Bürgermeisterinnen.

Und wir sprechen nicht einmal ansatzweise über die oben skizzierten Aufgaben der Transformation.

Ich betone noch einmal: wir wollen, dass dieser Kreis ein sozialer, bürgerfreundlicher Kreis bleibt. Und wir wollen, ja, wir müssen erreichen, dass der Kreis klimaneutral wird. Gerade in Zeiten wie diesen kann die Schlussfolgerung aus Verunsicherung und Krise nicht ein Rückzug kommunaler Institutionen sein. Die Menschen brauchen unsere Unterstützung.

Und Sie sollten bedenken: Mit diesem offen und zum Teil auch aggressiv ausgetragenen Streit zwischen den Städten und dem Kreis tragen Sie zur Delegitimierung öffentlicher Aufgabenträger bei. Dabei sollten wir uns gemeinsam bemühen, Vertrauen zurückzugewinnen – Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen.

Zum Haushalt selbst haben wir beim Austausch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern das Wesentliche gesagt. Ich zitiere aus meiner Rede vom 28.10.:

„Wir haben eine Haushaltskommission eingerichtet, die alle möglichen Kürzungen durchdiskutiert hat. Mein großer Dank geht hierzu noch einmal an die Mitarbeiter*innen der Kämmerei, die uns mit großem Engagement zu jeder einzelnen Maßnahme Auswirkungen und Risiken schriftlich dargestellt haben.

Und wir haben als Politik die weitreichenden Maßnahmen des Personalwirtschaftskonzeptes hinterfragt. Ist die Kreisverwaltung unter diesen Bedingungen überhaupt noch arbeitsfähig? Auch dieser Frage haben sich die Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung mit viel Engagement und Ideenreichtum gewidmet. Jede und jeder hier hat verstanden, wie ernst die Lage ist und sich auf die Herausforderung der Einsparungen eingelassen.“

Die Kämmerin hat fußend auf diesen Diskussionen und dem erzielten Einvernehmen den Haushaltsplanentwurf erstellt. Dass in den Änderungslisten jetzt große Teile des geplanten Einsparvolumens durch zusätzliche Aufwendungen wieder aufgefressen werden, ist nicht verwunderlich. Je knapper ein Haushalt kalkuliert ist, desto stärker machen sich nicht beeinflussbare Schwankungen bemerkbar. Wir danken übrigens der Verwaltung und vor allem Frau Stöhr, dass sie mit der 3. Änderungsliste die Verbesserungen durch eine weitere Senkung der Kreisumlage an die Kommunen weitergibt.

Herr Schwunk hat im Kreisausschuss von einer Vergeblichkeitsfalle gesprochen. Ja, das ist die bereits angesprochene strukturelle und dauerhafte Unterfinanzierung der kommunalen Familie. Solange wir daran nichts ändern, bleiben tatsächlich alle Bemühungen vergeblich. Übrigens: Wer den Kreis dafür kritisiert, dass die Kosten für die Hilfen zur Pflege deutlich angestiegen sind, bezeugt damit nur seine eigene Unkenntnis.

Es gibt nun, da wir die Ergebnisse der Haushaltskommission noch nicht einmal konkret umgesetzt haben, Gedanken über weitere Kürzungen. Die CDU hat einen Antrag eingebracht, der noch weitaus massivere Kürzungen und potentiell Entlassungen von Personal nach sich zöge. Konkret: der im System hinterlegte Vorschlag würde aktuell Personalkürzungen von 11% bewirken. Wir möchten nicht – platt gesagt – 11% des Personals rauswerfen. Der veränderte Antrag würde immerhin noch 80 Stellen kosten. Er würde weiterhin verhindern, dass wir voll geförderte Stellen einrichten oder für neue, uns aufgegebene Aufgaben Personal vorhalten. Wir können auch nicht zusichern, dass die Zahllast über Jahre konstant bleibt. Das ist Augenwischerei. Dazu haben wir viel zu viele externe Faktoren, die die Höhe der Zahllast beeinflussen.

In den Gesprächen vor diesem Kreistag ist allerdings deutlich geworden, dass in der Kreispolitik und wohl vor allem bei den Städten das Wissen um die Auswirkungen globaler Kürzungsvorschläge nicht ausreichend ist. Wir haben offenbar ein Transparenzproblem, an dem wir arbeiten müssen.

Deshalb wollen wir nun das Anliegen vom Kopf auf die Füße zu stellen.  Gemeinsam schlagen wir einen Prozess der Aufgabenkritik und eine Weiterentwicklung des Personalwirtschaftskonzeptes mit intensiver Information und Beteiligung der Politik vor, um wo möglich zu weiteren Einsparungen zu kommen.  Welche Aufgaben soll der Kreis auch in Zukunft erledigen, wie effizient tut er das bisher, was passiert, wenn er sich zurückzieht? Wir müssen zuerst alle wissen, welche Kürzungen welche Konsequenzen nach sich ziehen, um dann entscheiden zu können, ob wir das tragen können.  So sieht verantwortungsvolle Politik aus.

Trotzdem: Dieser Beschluss fällt uns nicht leicht und wir hatten dazu intensive Diskussionen in unserer Fraktion. Ich verweise dazu auf die obigen Ausführungen zu den dringend notwendigen Aufgaben, vor allem im Bereich Klimaschutz und Mobilität, die vor uns liegen.

Gleichzeitig muss uns allen klar sein, dass wir externe Kostensteigerungen so nicht abfedern können. Weder Tarifsteigerungen und Pensionsrückstellungen, noch Auswirkungen der Inflation oder neue Aufgaben wie vielleicht den Bau neuer Bunker.

Dazu gehören auch en passant von den Städten gewünschte zusätzliche Aufwendungen, etwa für die Notfallseelsorge. Sie können das Huhn nicht schlachten und hinterher noch erwarten das es Eier legt, liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Aber vielleicht können wir uns ja an einen Tisch setzen, zusammen die Suppe auslöffeln und dabei gemeinsam darüber entscheiden, wie viele Eier wir in Zukunft brauchen.

Der Punkt fünf unseres Haushaltsbegleitbeschlusses zum Haushalt 2024 hieß denn auch interkommunale Zusammenarbeit:

„Es wird angeregt, die interkommunale Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Städten zu intensivieren. Hierzu wird die Verwaltung beauftragt, die von den Städten gemachten sowie in 2024 noch zu entwickelnden Vorschläge aufzugreifen sowie diese im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit zu überprüfen und aufzubereiten.“

Wir sehen diesen Auftrag als noch nicht erledigt an. Wir als Politik haben keine Vorschläge der Städte gehört. Wenn es uns allen Ernst ist mit dem gemeinsamen Sparen, dann müssen wir auch über Synergieeffekte in gemeinsamer Aufgabenerledigung reden. An der einen oder anderen Stelle können wir sicher dadurch auch die Qualität steigern. Was sollen eigentlich unsere acht zum Teil sehr kleinen Jugendämter machen, wenn durch Gesetzesreformen – Stichwort Große Lösung – zusätzliche Aufgaben auf sie zu kommen? Wäre da nicht ein Kreisjugendamt besser aufgestellt? Auch dazu brauchen wir Transparenz und Ehrlichkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,

natürlich werden wir diesem Haushalt zustimmen. Alles Andere wäre eine grobe Missachtung der vielen Arbeit, die sich Frau Stöhr und ihr Team damit gemacht haben. Aber mit dem Beschluss des Haushaltes sind die Probleme nicht gelöst. Die Arbeit fängt erst richtig an. Ich bin zuversichtlich, dass wir in einen guten Prozess einsteigen, um gemeinsam verantwortet die Interessen der Städte, des Kreises, aber auch der Mitarbeiter*innen und der Bürger*innen in Einklang zu bringen. Ich wünsche uns allen dazu eine glückliche Hand.