Zum Haushalt 2025

Zum Haushalt 2025

Haushaltsrede zum Haushalt 2025 Karen Haltaufderheide-Uebelgünn:

Vieles zu den schwierigen Rahmenbedingungen dieses Haushalts ist schon gesagt, sowohl von meinen Vorrednern, als auch in der Aussprache mit den Städten in der letzten Kreistagssitzung. Deshalb werde ich die Aufzählung der verschiedenen gesamtgesellschaftlichen Krisen überspringen. Ich hätte allerdings im Traum nicht daran gedacht, zu welchen Interpretationen sich die CDU versteigt. Das war doch wohl ganz heftiges Wahlkampfgetöse.

Unsere Zusammenfassung: Wir befinden uns in einer Phase der Transformation. Gewohnte Muster funktionieren nicht mehr, der Druck zu Veränderungen ist nicht mehr übersehbar, auch, weil man Warnungen über Jahre und inzwischen schon Jahrzehnte verdrängt hat.

Bezogen auf die Klima- und Umweltkrise bedeutet das: Schon in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wussten wir oder konnten wir wissen, dass wir anders mit Energiegewinnung und -verbrauch sowie mit Natur und Biodiversität umgehen müssen. Wir haben es versäumt, frühzeitig die Konsequenzen zu ziehen. Und mit jedem Tag, den wir weiter zögern und an dem wir andere, durchaus nachvollziehbare Interessen vor durchgreifende klimapolitische Maßnahmen stellen, werden die notwendigen Einschnitte für uns und unsere Kinder härter. Das gilt auch für die Wirtschaft.

Bezogen auf den Status von Deutschland als Einwanderungsland und die damit verbundene Integrationskrise können wir ähnliche Versäumnisse feststellen. Schon um die Jahrtausendwende wussten wir, dass die westliche Exportpolitik mit der Zerstörung heimischer Märkte auf dem afrikanischen Kontinent und in Schwellenländern zu einem erheblichen Migrationsdruck auf Europa führen muss. Wir wussten auch, dass uns im Zuge des demografischen Wandels eine immer größere Zahl an Arbeitskräften fehlen würde. Auch diese Erkenntnisse haben wir nicht zusammengezogen, sondern sie im Wesentlichen ignoriert.

Ich weiß, es ist nicht üblich, in einer Haushaltsrede hier den großen Rahmen aufzuziehen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es derzeit notwendig ist, um zu verstehen, was auch bei uns im Kreis passiert. Denn die Schlussfolgerungen, die verschiedene Kräfte aus der Verunsicherung im Rahmen der Transformation ziehen, sind sehr unterschiedlich und erzeugen die Konflikte, die wir hier austragen.

Da sind zum einen diejenigen, die zurück wollen in ihre vermeintlich heile Welt – die egozentrische Welt des „Wir zuerst“, die alles für ideologisch erklären, was nicht ihrem eingeschränkten Weltbild entspricht und mit einem Fingerzeig Sündenböcke ausmachen, die für alle Schwierigkeiten verantwortlich seien. Leider ist es in Zeiten der Verunsicherung leicht, Menschen damit zu fangen.

Bei den demokratischen Parteien gibt es in unterschiedlich starker Ausprägung Bekenntnisse zum Klimaschutz und zur notwendigen Transformation. Der Knackpunkt ist die Frage des Geldes. Sind wir bereit, in notwendige Veränderungen zu investieren – oder konkret: Nehmen wir höhere Baukosten in Kauf für ein klimaneutrales Gebäude in dem Wissen, dass dies uns nicht nur auf unserem Weg zur Klimaneutralität unterstützt, sondern auch, dass sich die erhöhten Investitionen langfristig über niedrigere Betriebskosten rentieren? Bauen wir den Nahverkehr aus, damit die Menschen bei uns im Kreis die notwendige Mobilität auch ohne PKW bewältigen können?

Oder bleibt Klimaschutz ein Mäntelchen, das wir uns gerne umhängen, das  in der Praxis aber nur ein nice-to-have ist? Und weitergedacht auf andere Herausforderungen: Investieren wir in Integration und gute Bildung oder beklagen wir kopfschüttelnd unangepasstes Verhalten und Straftaten von perspektivlosen Migranten bei gleichzeitigem Fehlen von Arbeitskräften?

Ich sehe über Ihren Köpfen eine große Denkblase, in der geschrieben steht:

Ja, aber das können wir uns gerade nicht leisten. Und ich frage zurück: Können wir es uns denn leisten, es nicht zu tun? Die Antwort gibt die Wissenschaft sehr eindeutig. Viel teurer und gefährlicher, als in Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu investieren, ist, es nicht zu tun.

Ich gebe allerdings zu:  auch wir sind gefangen in dieser Frage und nicht frei, immer das zu tun, was wir für notwendig halten.

Spätestens hier kommen die Städte ins Spiel und das große finanzielle Dilemma der kommunalen Familie. Ich verstehe die Notsituation der Städte sehr gut. Meine Heimatstadt Wetter kämpft gerade darum, den Haushaltsausgleich  in 2034 darzustellen und der Überschuldung zu entgehen.

Ich halte aber den Druck, den die Städte auf den Kreis ausüben, für den falschen Weg. Es mag Fehler gegeben haben. Offenbar war auch die Kommunikation nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Und natürlich muss der Kreis Rücksicht auf seine Städte nehmen. Das ändert aber nichts an der Grundproblematik.

Wir werden die Unterfinanzierung der kommunalen Familie nicht auflösen, wenn wir uns gegenseitig die letzten Gestaltungsmöglichkeiten nehmen. Die Leistungen des Kreises sind Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger der Städte. Wenn wir daran kürzen, verlieren Ihre Bürger*innen, liebe Bürgermeister und Bürgermeisterinnen.

Und wir sprechen nicht einmal ansatzweise über die oben skizzierten Aufgaben der Transformation.

Ich betone noch einmal: wir wollen, dass dieser Kreis ein sozialer, bürgerfreundlicher Kreis bleibt. Und wir wollen, ja, wir müssen erreichen, dass der Kreis klimaneutral wird. Gerade in Zeiten wie diesen kann die Schlussfolgerung aus Verunsicherung und Krise nicht ein Rückzug kommunaler Institutionen sein. Die Menschen brauchen unsere Unterstützung.

Und Sie sollten bedenken: Mit diesem offen und zum Teil auch aggressiv ausgetragenen Streit zwischen den Städten und dem Kreis tragen Sie zur Delegitimierung öffentlicher Aufgabenträger bei. Dabei sollten wir uns gemeinsam bemühen, Vertrauen zurückzugewinnen – Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen.

Zum Haushalt selbst haben wir beim Austausch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern das Wesentliche gesagt. Ich zitiere aus meiner Rede vom 28.10.:

„Wir haben eine Haushaltskommission eingerichtet, die alle möglichen Kürzungen durchdiskutiert hat. Mein großer Dank geht hierzu noch einmal an die Mitarbeiter*innen der Kämmerei, die uns mit großem Engagement zu jeder einzelnen Maßnahme Auswirkungen und Risiken schriftlich dargestellt haben.

Und wir haben als Politik die weitreichenden Maßnahmen des Personalwirtschaftskonzeptes hinterfragt. Ist die Kreisverwaltung unter diesen Bedingungen überhaupt noch arbeitsfähig? Auch dieser Frage haben sich die Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung mit viel Engagement und Ideenreichtum gewidmet. Jede und jeder hier hat verstanden, wie ernst die Lage ist und sich auf die Herausforderung der Einsparungen eingelassen.“

Die Kämmerin hat fußend auf diesen Diskussionen und dem erzielten Einvernehmen den Haushaltsplanentwurf erstellt. Dass in den Änderungslisten jetzt große Teile des geplanten Einsparvolumens durch zusätzliche Aufwendungen wieder aufgefressen werden, ist nicht verwunderlich. Je knapper ein Haushalt kalkuliert ist, desto stärker machen sich nicht beeinflussbare Schwankungen bemerkbar. Wir danken übrigens der Verwaltung und vor allem Frau Stöhr, dass sie mit der 3. Änderungsliste die Verbesserungen durch eine weitere Senkung der Kreisumlage an die Kommunen weitergibt.

Herr Schwunk hat im Kreisausschuss von einer Vergeblichkeitsfalle gesprochen. Ja, das ist die bereits angesprochene strukturelle und dauerhafte Unterfinanzierung der kommunalen Familie. Solange wir daran nichts ändern, bleiben tatsächlich alle Bemühungen vergeblich. Übrigens: Wer den Kreis dafür kritisiert, dass die Kosten für die Hilfen zur Pflege deutlich angestiegen sind, bezeugt damit nur seine eigene Unkenntnis.

Es gibt nun, da wir die Ergebnisse der Haushaltskommission noch nicht einmal konkret umgesetzt haben, Gedanken über weitere Kürzungen. Die CDU hat einen Antrag eingebracht, der noch weitaus massivere Kürzungen und potentiell Entlassungen von Personal nach sich zöge. Konkret: der im System hinterlegte Vorschlag würde aktuell Personalkürzungen von 11% bewirken. Wir möchten nicht – platt gesagt – 11% des Personals rauswerfen. Der veränderte Antrag würde immerhin noch 80 Stellen kosten. Er würde weiterhin verhindern, dass wir voll geförderte Stellen einrichten oder für neue, uns aufgegebene Aufgaben Personal vorhalten. Wir können auch nicht zusichern, dass die Zahllast über Jahre konstant bleibt. Das ist Augenwischerei. Dazu haben wir viel zu viele externe Faktoren, die die Höhe der Zahllast beeinflussen.

In den Gesprächen vor diesem Kreistag ist allerdings deutlich geworden, dass in der Kreispolitik und wohl vor allem bei den Städten das Wissen um die Auswirkungen globaler Kürzungsvorschläge nicht ausreichend ist. Wir haben offenbar ein Transparenzproblem, an dem wir arbeiten müssen.

Deshalb wollen wir nun das Anliegen vom Kopf auf die Füße zu stellen.  Gemeinsam schlagen wir einen Prozess der Aufgabenkritik und eine Weiterentwicklung des Personalwirtschaftskonzeptes mit intensiver Information und Beteiligung der Politik vor, um wo möglich zu weiteren Einsparungen zu kommen.  Welche Aufgaben soll der Kreis auch in Zukunft erledigen, wie effizient tut er das bisher, was passiert, wenn er sich zurückzieht? Wir müssen zuerst alle wissen, welche Kürzungen welche Konsequenzen nach sich ziehen, um dann entscheiden zu können, ob wir das tragen können.  So sieht verantwortungsvolle Politik aus.

Trotzdem: Dieser Beschluss fällt uns nicht leicht und wir hatten dazu intensive Diskussionen in unserer Fraktion. Ich verweise dazu auf die obigen Ausführungen zu den dringend notwendigen Aufgaben, vor allem im Bereich Klimaschutz und Mobilität, die vor uns liegen.

Gleichzeitig muss uns allen klar sein, dass wir externe Kostensteigerungen so nicht abfedern können. Weder Tarifsteigerungen und Pensionsrückstellungen, noch Auswirkungen der Inflation oder neue Aufgaben wie vielleicht den Bau neuer Bunker.

Dazu gehören auch en passant von den Städten gewünschte zusätzliche Aufwendungen, etwa für die Notfallseelsorge. Sie können das Huhn nicht schlachten und hinterher noch erwarten das es Eier legt, liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Aber vielleicht können wir uns ja an einen Tisch setzen, zusammen die Suppe auslöffeln und dabei gemeinsam darüber entscheiden, wie viele Eier wir in Zukunft brauchen.

Der Punkt fünf unseres Haushaltsbegleitbeschlusses zum Haushalt 2024 hieß denn auch interkommunale Zusammenarbeit:

„Es wird angeregt, die interkommunale Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Städten zu intensivieren. Hierzu wird die Verwaltung beauftragt, die von den Städten gemachten sowie in 2024 noch zu entwickelnden Vorschläge aufzugreifen sowie diese im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit zu überprüfen und aufzubereiten.“

Wir sehen diesen Auftrag als noch nicht erledigt an. Wir als Politik haben keine Vorschläge der Städte gehört. Wenn es uns allen Ernst ist mit dem gemeinsamen Sparen, dann müssen wir auch über Synergieeffekte in gemeinsamer Aufgabenerledigung reden. An der einen oder anderen Stelle können wir sicher dadurch auch die Qualität steigern. Was sollen eigentlich unsere acht zum Teil sehr kleinen Jugendämter machen, wenn durch Gesetzesreformen – Stichwort Große Lösung – zusätzliche Aufgaben auf sie zu kommen? Wäre da nicht ein Kreisjugendamt besser aufgestellt? Auch dazu brauchen wir Transparenz und Ehrlichkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,

natürlich werden wir diesem Haushalt zustimmen. Alles Andere wäre eine grobe Missachtung der vielen Arbeit, die sich Frau Stöhr und ihr Team damit gemacht haben. Aber mit dem Beschluss des Haushaltes sind die Probleme nicht gelöst. Die Arbeit fängt erst richtig an. Ich bin zuversichtlich, dass wir in einen guten Prozess einsteigen, um gemeinsam verantwortet die Interessen der Städte, des Kreises, aber auch der Mitarbeiter*innen und der Bürger*innen in Einklang zu bringen. Ich wünsche uns allen dazu eine glückliche Hand.

Zum Haushalt 2024

Zum Haushalt 2024

Karen Haltaufderheide-Uebelgünn zum Haushalt 2024

Bei den letzten Haushaltsreden Ende 2022 haben schon alle hier Redenden die multiplen Krisen der Zeit angesprochen. Seitdem ist die Situation nicht besser geworden.

Corona ist als akute Pandemie vorbei. Über die Folgen für die Gesundheit – Stichwort Long Covid – wissen wir noch zu wenig. Noch weniger wissen wir über Auswirkungen auf die Bildung und die Psyche von Kindern und Jugendlichen. Erste Studien und Beobachtungen lassen langfristig negative Folgen befürchten.

Statt eines furchtbaren Krieges haben wir nun zwei, die unmittelbare Auswirkungen auf unser Zusammenleben haben – und übrigens auch auf die Psyche unserer Kinder und Jugendlichen. Wir erleben mehr oder weniger hilflos Gräueltaten, Zerstörungen mit weitreichenden Auswirkungen auf Infrastruktur, Wirtschaft und Klima, blanke Not und Hunger, Flucht und Vertreibung. Unsere Sprache und unser Denken haben sich in erschreckender Geschwindigkeit verändert. Über zivile Krisenprävention oder Frieden schaffen ohne Waffen zu reden gilt inzwischen als naiv bis defätistisch. Stattdessen wetteifern wir, wer am schnellsten kriegstüchtig ist – ein Wort, das mir bei der ersten Erwähnung in den Abendnachrichten den Atem stocken ließ, das inzwischen aber alltäglich geworden ist.  Vor der Krisenlage gab es eine weitgehende Übereinstimmung, keine Finanz-Anlagen bei Waffenproduzenten zu tätigen – jetzt sind sie die Guten.  Und nicht Wenige sind überzeugt, dass jetzt, da Verteidigung so wichtig geworden ist und so viel Geld kostet, bei Sozialleistungen gekürzt werden muss. Um das zu rechtfertigen, werden schnell mal im Nebensatz Bezieher*innen von Sozialleistungen unter den Generalverdacht von Faulheit und Betrugsabsichten gestellt. Man könnte natürlich auch die Wohlhabenden stärker an gesellschaftlichen Kosten beteiligen oder Steuerhinterziehung konsequenter verfolgen. Diese Forderungen sind allerdings weitaus weniger populär.

Die schwierige Weltlage bildet den Rahmen für unsere Kommunalpolitik – im Kreis und in den Städten. Sie engt uns finanziell ein und bürdet uns zusätzliche Lasten auf. Vom Klimawandel habe ich noch gar nicht geredet, dabei ist dies langfristig die größte Bedrohung. Trotzdem sind Klimaschutz und Klimafolgenaufwand gerade nur dann Thema, wenn es um kurzfristige Einsparungssuche geht. Beim Bauen ist dies am deutlichsten zu sehen. Die Kürzungen beim GAZ betreffen fast ausschließlich Aspekte des ökologischen Bauens.

Wir wussten auch 2023 schon, dass die finanzielle Lage der kommunalen Familie nicht besser wird. Aber jetzt hat es uns alle doch hart getroffen. Die Kommunen wie auch der Kreis wissen nicht mehr, wie sie ihre in die Jahre gekommene Infrastruktur erhalten, geschweige denn nachhaltig fortentwickeln sollen. Dabei steht gerade jetzt die öffentliche, solidarische Aufgabenerfüllung vor besonderen Herausforderungen. Es fehlt Geld an allen Ecken und Enden, jedenfalls so lange, wie unsere Regierungen auf den verschiedenen Ebenen an der Schuldenbremse festhalten, als sei sie gottgegeben. Es fehlt aber nicht nur an Geld. Es fehlt auch an Arbeitskräften, an Fachpersonal ebenso wie an Hilfskräften. Und auch dieses Problem ist ein Berg, dessen Gipfel wir noch lange nicht erreicht haben.

Als weitere Krise erleben wir Auflösungstendenzen, die unsere Demokratie erschüttern. Wir erleben eine AfD, die Krise und Umsturz herbeireden möchte, die unsere Gesellschaft spaltet und Menschen, die hier geboren sind, hier leben und arbeiten, in Existenzangst versetzt. Nicht alles läuft gut und richtig in unserer Demokratie, das ist nie anders gewesen. Wir müssen immer versuchen, eine bessere und glaubwürdigere Politik zu machen, die das Vertrauen in unsere öffentlichen Institutionen und den Staat verdient und fördert. Neu ist, dass strategisch und in großem Maße mit Unterstellungen und Alternativen Fakten suggeriert wird, man könne demokratischen Institutionen und Entscheidungen nicht mehr trauen. Wenn mit Dreck geworfen wird, bleibt immer etwas hängen. Der Glaube an die Tragfähigkeit unserer Demokratie soll untergraben werden. Es ist notwendig, dieses Prinzip immer wieder offen zu legen.  Wir sind froh, dass es inzwischen so viele Demonstrationen gibt für Demokratie und Menschenrechte. Die schweigende Mehrheit ist wach geworden und das ist gut so!

Soweit zu den Rahmenbedingungen unseres heutigen Haushaltes. Die schwierige Genese dieses Haushaltes ist schon daran zu erkennen, dass er erst jetzt, sozusagen zu Frühlingsanfang, beschlossen wird. Wir befinden uns in einer Phase der vorläufigen Haushaltsführung. Es dürfen nur Aufwendungen geleistet werden, zu denen wir rechtlich verpflichtet sind oder die zur Fortführung von begonnenen Aufgaben notwendig sind. Ich weiß nicht, wann es das zuletzt beim Kreis gab. Ich kann mich nicht daran erinnern.

Es war trotzdem richtig, den Zug anzuhalten. Innezuhalten und nicht weiterzumachen wie bisher. Wir haben schon vorher über eine mit den Städten solidarische, freiwillige Haushaltssicherung des Kreises, eine stärkere Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage und die Nutzung des Instruments des globalen Minderaufwandes diskutiert. Ich verweise auf die Haushaltsrede des Landrates. Auch im ursprünglichen Entwurf des Haushaltes war bereits eine hohe Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage für 2024 und die Folgejahre vorgesehen, um die Kommunen zu entlasten.

Es gab aber zwei Anlässe, die es richtig erscheinen ließen, dass wir den Beschluss des Haushaltes verschoben und vor allem weitere Einsparpotenziale auch schon für 2024 entwickelt haben.

Der erste Anlass war die Ankündigung neuer Haushaltsvorschriften durch das Land. Das 3. NKF-Weiterentwicklungsgesetz ist am 28.2.2024 beschlossen worden und rückwirkend zum 31.12.2023 in Kraft getreten. Insofern berücksichtigen wir nun mit diesem Haushalt die aktuelle Gesetzeslage. Allerdings fehlt noch die Aktualisierung der kommunalen Haushaltsverordnung, die uns für die Ausführung der Gesetze an die Hand gegeben werden sollte. Und leider, wie wir alle wissen, bringt uns die NKF-Weiterentwicklung kein zusätzliches Geld.

Der zweite Anlass war noch entscheidender. Es war – ja, ich nenne es mal der Aufschrei der Städte, den wir bei der Anhörung zur Benehmensherstellung wahrgenommen haben. Wir haben die Forderungen gehört und sind in die Planung eingestiegen. Ein großes Lob gilt hier unserer Kämmerin Andrea Stöhr. Sie hat nicht nur ihre eigenen Rechnungen erneut auf den Prüfstand gestellt. Sie hat auch durch alle Abteilungen prüfen lassen, wo Einsparpotenziale möglich sind.

Wir haben mit der Verschiebung und engen Überprüfung von Einspar-Möglichkeiten der weiterhin sich verschlechternden Finanzsituation der Städte Rechnung getragen. Herausgekommen sind Verbesserungen gegenüber der Haushaltseinbringung von 9 Mio. €. Die Kreisumlage kann auf 40,74 PP gesenkt werden.

Wir halten diesen solidarischen Umgang innerhalb der kommunalen Familie für richtig und wichtig sowie der Notlage angemessen. Ich habe allerdings nicht durchgängig den Eindruck, dass dieses Verständnis von kommunaler Solidarität auch bei den Städten vorhanden ist.

Stattdessen erleben wir von einigen Städten eine Haltung, die man vielleicht am besten charakterisieren kann mit dem Schlagwort „My City First.“  Ich verstehe ja die schwierige Lage, in der viele Städte sich befinden. Und es war richtig, dass sie dies deutlich zum Ausdruck gebracht haben.

Trotzdem seien hier kritische Anmerkungen zum Auftreten der Städte gestattet. Wir finden, dass auch oder gerade in schwierigen Zeiten ein fairer Umgang miteinander gegeben sein sollte. Die Art und Weise, wie der Landrat und die Kreispolitik in der Anhörung und in den folgenden Wochen angegangen wurden, entspricht nicht dieser meiner Vorstellung von fairem Umgang miteinander. Es wurde polemisiert und es wurden einige unwahre Behauptungen aufgestellt bis hin zu der Aussage, den Städten sei bisher die Möglichkeit zur Stellungnahme in einer Anhörung verwehrt worden. Das ist einfach falsch. Die Städte haben auf die Nutzung dieses Instruments verzichtet. Einmal haben alle Mitglieder des Kreisausschusses versammelt auf die Vertreter*innen der Städte gewartet. Niemand erschien. Danach hat die Kreisverwaltung stets den gesetzlich vorgeschriebenen Termin angeboten – und Absagen erhalten.

Zudem – und das ist mein zweiter Kritikpunkt – verstört mich das Verständnis der Wortführer*innen der Hauptverwaltungsbeamten zu der Rolle, der Souveränität und Aufgabenhoheit verschiedener gesetzlich verankerter kommunaler Ebenen. Welches demokratische und juristische Verständnis steht hinter der neuerdings immer wiederholten Aussage: „Alles, was der Kreis ausgibt, ist unser Geld. Deshalb wollen wir bestimmen, was der Kreis mit unserem Geld tut.“ Damit, meine Damen und Herren, negiert man am Ende repräsentative staatliche Strukturen und deren demokratische Kontrolle.  Stellen Sie sich vor, es gehen Steuerzahler*innen mit einer solchen Haltung zur Bundesregierung, weil ja schließlich der ganze Staatsapparat aus ihren Steuern bezahlt wird!

Klar ist: nur gemeinsam können wir als kommunale Familie die Aufgaben eines funktionierenden Gemeinwesens erfüllen. Es muss ein sachlicher und fairer Austausch dazu stattfinden. Wir als Kreis sind gerne dazu bereit. Wir haben dazu zu Beginn der vorletzten Wahlperiode den Solidarpakt Ennepe-Ruhr als Austauschebene ins Leben gerufen, um Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit für mehr Effizienz der Aufgabenerfüllung und zur beiderseitigen Haushaltskonsolidierung zu untersuchen. Ich erinnere mich sehr gut an den Argwohn der Städte, der Kreis wolle in ihre Souveränität eingreifen. Letztlich ist dieser Austausch gescheitert.

Wir sind zu einem neuen Versuch bereit, wenn die Interessen fair, sachlich und in gegenseitigem Respekt diskutiert werden. Wir haben verstanden, dass die Städte mit ihren Nöten deutlicher berücksichtig werden wollen. Wir haben auch verstanden, dass die Kommunikation bisher nicht optimal war. Es muss auch konstatiert werden, dass einige Planungen noch aus einer Zeit stammen, als der Gürtel noch nicht so eng geschnallt werden musste wie heute.  Lassen Sie uns in Zukunft besser zusammenarbeiten!

Ich erlebe übrigens eine ähnliche Debatte auch auf der Ebene zwischen den Kreisen und dem LWL. Und auch dort vertrete ich dieselbe Haltung: Gegenseitige Rücksichtnahme ist notwendig, Aber wir wollen auch das Land weiterentwickeln. Für Neiddebatten und für das Buhlen um den größtmöglichen eigenen Vorteil ist kein Raum.

Trotz mancher Misstöne ist es uns zwischen den großen demokratischen Parteien gelungen, zu einer Einigung zu kommen. Aus der bisherigen Rede geht hervor, warum es in diesen Zeiten besonders wichtig ist, dass Demokratinnen und Demokraten an einem Strang ziehen. Ich möchte die Eckpunkte dieser Einigung hier kurz erläutern.

  1. Der Kreis stellt ab 2025 ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept auf.
  2. Der globale Minderaufwand wird auch für die Folgejahre bei einem Prozent festgeschrieben. Wie bekannt stehen wir dem Instrument des globalen Minderaufwandes kritisch gegenüber, weil es weniger Transparenz des Haushaltes für die Politik mit sich bringt. Je höher der globale Minderaufwand angesetzt wird, desto weniger kann die Politik wissen oder gar entscheiden, wo gekürzt wird. Viel problematischer aber ist die Tatsache, dass von den Aufwendungen im Kreishaushalt 495 Mio. € und damit über 65% nicht beeinflussbare Transferaufwendungen sind. Dazu gehören die Umlagen an den LWL und den RVR, sodann vor allem Aufwendungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, aber auch Aufwendungen für Altenhilfe und Pflege. Bei einem globalen Minderaufwand von 2% müssten wir in den beeinflussbaren Bereichen Kürzungen von mehr als 5% vornehmen. Noch nicht herausgerechnet sind Personalaufwendungen, die ja auch nicht frei kürzbar sind.

Insgesamt halten wir einen globalen Minderaufwand von 2% für nicht umsetzbar. Und weil immer gesagt wird, dass die Städte der globale Minderaufwand ja genauso trifft: In allen Städten des Kreises lieg die Quote der Transferaufwendungen unter 50 %. Somit verteilt sich der globale Minderaufwand bei den Städten auf deutlich größere Anteile des Haushaltes. Trotzdem setzen nicht alle Städte den globalen Minderaufwand bei 2% an. Einzelne Städte nutzen das Instrument selbst gar nicht. Ich finde es schwierig, wenn Vertreter*innen dieser Städte trotzdem einen globalen Minderaufwand von 2% vom Kreis fordern.

  1. Es wird in 2024 ein Personalbewirtschaftungskonzept erstellt und beschlossen. Ziel ist, dass in den nächsten zehn Jahren einschließlich des Jahres 2024 insgesamt 5% der Personalaufwendungen eingespart werden, soweit sie nicht durch rechtlich bedingte Steigerungen Steigerungen durch nicht beeinflussbare Faktoren – insbesondere Tarif- und Besoldungserhöhungen – verursacht werden. Damit sind die Personalaufwendungen im beeinflussbaren Bereich unter Kontrolle. Gleichzeitig behalten wir die Möglichkeit, auf geänderte Rahmenbedingungen angemessen zu reagieren. Wir danken ganz ausdrücklich unserem Kreisdirektor als dem Personalverantwortlichen für sein Engagement für ein tragfähiges Personalbewirtschaftungskonzept und für die Zusage, den Kreisausschuss als den finanzverantwortlichen Ausschuss regelmäßig in die Entwicklungen einzubeziehen.
  2. Die interkommunale Zusammenarbeit zwischen dem Kreis und den Städten wird verbessert. Das betrifft die Aufstellung des Kreishaushaltes, Bauvorhaben und Möglichkeiten einer Effizienzsteigerung durch gemeinsame Aufgabenerledigung. Wir erwarten hier allerdings von den Städten nicht nur Hinweise darauf, was der Kreis nicht tun soll, sondern auch substanzielle Vorschläge für eine bessere Aufgabenerfüllung innerhalb der kommunalen Familie.

Ich bin froh, dass wir diese Einigung erzielt haben. Ebenfalls geeinigt haben wir uns in Bezug auf das Jobticket. Es wird fortgeführt. Der Kreis fördert das Deutschlandticket als Jobticket für seine Angestellten mit 50%. Insoweit wird die bisherige Regelung nicht verändert, damit aber leider auch nicht im Sinne der Verkehrswende ausgebaut. Dies ist – so schwer uns das fällt – ein Zugeständnis an die Haushaltslage. Für die Haushaltsverhandlungen zum Haushalt 2025, die ja sozusagen direkt vor der Tür stehen, kündigen wir schon jetzt als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung eine Initiative zur Parkraumbewirtschaftung zumindest an den wichtigsten Kreisliegenschaften an. Für Mitarbeitende könnte das festgelegte Entgelt um 50% reduziert werden. Die Erträge aus der Parkraumbewirtschaftung könnten verwendet werden, um die Ausweitung des Jobtickets zu stützen.

Meine Damen und Herren,

Über dieser Haushaltsdiskussion schwebte ein ganzer Reigen von Gespenstern. Das größte ist und bleibt das Gespenst der Kreishaussanierung. Deshalb müssen wir auch dazu einige Worte sagen.

Wir haben ein Kreishaus, von dem wir seit einigen Jahren wissen, dass es den gesetzlichen Bestimmungen in mehrfacher Hinsicht nicht mehr genügt. Es gibt erhebliche Brandschutzmängel, vor allem in Bezug auf die Verkabelung. Wer durch die Flure läuft, stößt überall auf Warnschilder wegen asbesthaltiger Wandoberflächen. Die Böden enthalten PCB. Manchmal schlafe ich schlecht und habe Angst um die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Oder dass niemand mehr unter solchen Bedingungen beim Kreis arbeiten will.

Vor diesem Hintergrund einer Vielzahl wirklich dramatischer Mängel, die ich hier nicht alle aufgeführt habe, wurde in den Planungen für die Kreishaussanierung von der Notwendigkeit einer Vollsanierung oder eines Neubaus ausgegangen. Die Kosten, die die nun vorliegende Vergleichsrechnung verschiedener Varianten ermittelt hat, haben uns ehrlich erschüttert. Daher wurde jetzt notgedrungen doch noch die Alternative ins Spiel gebracht, nur das Unabweisbare zu sanieren, auch wenn das eine Vollsanierung nicht ersetzt, sondern nur verschiebt. Wir können uns ehrlich gesagt nur schwer vorstellen, wie die Verkabelung saniert werden soll, ohne Wände und Fußböden anzugreifen, also Asbest und PCB freizusetzen – und das im laufenden Betrieb?

Doch auch bei dieser Diskussion raten wir dringend zu einer Versachlichung. Mit Sprüchen wie „Wir haben auch Asbest im Rathaus, na und?“ oder „Ich kenne eine Kommune, die hat in der gleichen Situation für fünf Millionen saniert“ ist uns nicht geholfen. Eine Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn wir abschätzen können, was das Unabweisbare kostet. Und welche Auswirkungen die verschiedenen Varianten auf die Kreisumlage haben. Wenn eine konsumtive Notsanierung vollständig in die Kreisumlage der nächsten Jahre gerechnet werden muss, zahlen wir nicht nur insgesamt drauf, sondern muten den Städten auch erhebliche Umlageerhöhungen in den nächsten Jahren zu.  Also müssen wir die Bedingungen ermitteln und den Städten faktenbasierte Vorschläge machen. Wir wollen die Städte mitnehmen auf dem Weg. Entscheiden werden aber der Landrat und der Kreistag.

Zum Ende dieser Rede bleibt mir nur, allen zu danken, die weiter unter diesen schwierigen Bedingungen gute Arbeit leisten. Verlieren Sie nicht den Mut! Wir danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung und wir danken den demokratischen Parteien des Kreistages für die gute Zusammenarbeit. Für die kommende Zeit wünsche ich uns, dass wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen unsere Ziele im Auge behalten. Ich wünsche mir, dass wir uns weniger gegenseitige Vorwürfe machen und stattdessen gemeinsam weiterarbeiten an dem Ziel eines liebenswerten, klimaneutralen, sozialen, inklusiven und wirtschaftsstarken Ennepe-Ruhr-Kreises.